Am 8. Februar 2001 verabschiedete der Grazer Gemeinderat einstimmig die Menschenrechtserklärung der Stadt Graz und machte Graz damit zur ersten Menschenrechtsstadt in Europa. Anlässlich des 15-Jahr-Jubiläums luden das Europäische Trainings- und Forschungszentrum für Menschenrechte und Demokratie (ETC Graz) an der Uni Graz und der Menschenrechtsbeirat der Stadt Graz am 26. Jänner 2016 zu einer Podiumsdiskussion in das ORF-Landesstudio Steiermark, um Bilanz zu ziehen.
Welche menschenrechtlichen Auswirkungen hat diese Selbstverpflichtung, welche Erwartungen die Menschenrechtsstadt wurden erfüllt und welche enttäuscht. Diese und weitere Fragen diskutierten unter der Leitung von ORF-Moderator Gernot Rath Landtagspräsidentin Bettina Vollath, Bürgermeister Siegfried Nagl, Altbürgermeister Alfred Stingl, Menschenrechtsbeirat-Vorsitzende Elke Lujansky-Lammer, ETC-Geschäftsführer Klaus Starl und Völkerrechts-Professor Wolfgang Benedek.
Wolfgang Benedek zählte Erfolge und Meilensteine der Menschenrechtsstadt auf und benannte anhand der Menschenrechtserklärung von 2001 auch Defizite und Probleme, wie etwa die Nichtrealisierung der Menschenrechtsbildungsstrategie, die Verzögerungen bei der Servicestelle für BettlerInnen und BürgerInnen sowie die fehlende Befassung des Menschenrechtsbeirates bei menschenrechtlichen Herausforderungen wie zuletzt der Flüchtlingsproblematik.
Alfred Stingl schilderte die Entstehung der Menschenrechtsstadt und verglich das gesellschaftliche Klima im Jahr 2001 mit dem heutigen.
Elke Lujansky-Lammer erklärte die Aufgaben des Menschenrechtsbeirats – beobachten, ob menschenrechtlich relevante Normen im Alltagsleben der Stadt beachtet und wirksam werden, bei Defiziten Verbesserungen anregen, politisch Verantwortliche im Bereich der Menschenrechte beraten. Als Aufgabe für die Zukunft nannte sie unter anderem den barrierefreien Zugang zu offiziellen Texten, also Gesetzestexte oder Bescheide in eine Sprache zu bringen, die die Menschen auch verstehen.
Siegfried Nagl führte die Einrichtung der Menschenrechtsstadt auf die vielen beteiligten Organisationen und Institutionen zurück, welche die Menschenrechtsidee aktiv mittragen und hielt fest, dass Menschenrechte in der Diskussion oft zu verkürzt dargestellt werden und vieles, was getan wird, fast unbemerkt über die Bühne geht, zum Beispiel Aufgaben der Stadt in den Bereichen Ökologie, Bildung, Integration oder Seniorenbetreuung.
Landtagspräsidentin Vollath schlug den Bogen von der Charta der Vielfalt zur logischen Idee einer Menschenrechtsregion Steiermark, für die die Stadt Graz als Menschenrechtsstadt Vorbildwirkung habe. Wichtig sei sich vor Augen zu halten, dass die Menschenrechte nie eine Statik erreichen können und immer eine Zielvorstellung bleiben – ein Ziel, das man erreichen kann – oft mit großen Schritten nach vorn, manchmal auch zurück.
Klaus Starl bezog sich in seinem Ausblick auf die in der Menschenrechtsstadterklärung festgeschriebene Kultur der Menschenrechte. Um eine solche wirksam werden zu lassen, bedürfe es besonderen Augenmerks auf folgende drei Bereiche: Diskriminierung im privaten Sektor, mangelnde Partizipation durch paternalistische Integrationsdiskurs und Ausschluss vom kommunalen Wahlrecht sowie Fragen des öffentlichen Raums, des politischen Diskurses und damit zusammenhängend der Verunsicherung und Angst.