Aufgrund landschaftlicher Gegebenheiten ist die Bevölkerung des Alpenraums seit jeher besonders von Naturgefahren wie Hangrutschungen, Murenabgängen oder Überschwemmungen bedroht. Durch den Klimawandel könnte sich die Situation in manchen Gebieten weiter verschärfen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob Siedlungsräume um jeden Preis zu schützen sind oder besser aufgegeben werden sollten. In einem neuen Forschungsprojekt der Karl-Franzens-Universität Graz suchen ExpertInnen aus Geographie, Volkswirtschaftslehre und Philosophie gemeinsam nach möglichen Lösungen unter Berücksichtigung ökonomischer und ethischer Aspekte.
Der Alpenraum zählt zu jenen Regionen, in denen sich der Klimawandel besonders deutlich bemerkbar macht. Neben steigenden Temperaturen, die dem Wintertourismus zu schaffen machen, sind es vor allem Extremwetterereignisse und Starkniederschläge, die mit nachfolgenden Überschwemmungen, Hangrutschungen und Vermurungen Leben und Besitz der Bevölkerung in den betroffenen Gebieten bedrohen. Gleichzeitig verursachen sie hohe Kosten, sei es, weil Straßen repariert, Gebäudeschäden behoben oder Schutzbauten errichtet werden müssen.
Ein kürzlich gestartetes Forschungsprojekt der Uni Graz hat sich zum Ziel gesetzt, nachhaltige Anpassungsstrategien an die sich verändernden Umweltbedingungen in Alpentälern zu entwickeln. „Das Innovative an unserem Zugang ist, dass wir uns sowohl aus ökonomischer als auch aus ethischer Perspektive mit dem Thema befassen“, unterstreicht Projektleiter Univ.-Prof. Dr. Oliver Sass vom Institut für Geographie und Raumforschung, der von Volkswirt Ao.Univ.-Prof. Dr. Karl Steininger, Philosoph Univ.-Prof. Dr. Lukas Meyer und einem interdisziplinären Team unterstützt wird.
„Ziel ist zum einen, die Naturgefahrensituation aufzuarbeiten, Kosten und die Auswirkung verschiedener Handlungsoptionen zu analysieren sowie Szenarien für die Zukunft aufzuzeigen“, erklärt Oliver Sass. Zum anderen widmet sich das Projekt den Mensch-Umwelt-Beziehungen. „Im Fokus stehen die Wahrnehmung und das Wissen der Bevölkerung über die Naturgefahren sowie die Kommunikation von Risiko und Risikovorsorge“, berichtet der Geograph. Dazu sind Interviews und Workshops mit AnwohnerInnen und EntscheidungsträgerInnen von Gemeinden und Behörden geplant.
Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Frage, inwieweit die Gesellschaft Sorge und Kosten für Schutzmaßnahmen zu tragen hat und wo die individuelle Verantwortung beginnt. Auf der Suche nach Antworten finden moralische, rechtliche und ökonomische Ansprüche Berücksichtigung.
Das Projekt EE-Con (Economic and Ethical Consequences of Natural Hazards in Alpine Valleys), das von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gefördert wird, soll einerseits zu konkreten Handlungsempfehlungen führen und andererseits zur Bewusstseinsbildung für die sozialen Folgen von Naturgefahren beitragen.