Hunderte WhatsApp-Nachrichten täglich zu bekommen, würde wohl vielen Menschen gehörig auf die Nerven gehen. Bei Jugendlichen ist das offenbar anders. Die Pädagogin Barbara Arifi, MA, hat für ihre Masterarbeit SchülerInnen des BRG Körösi in Graz im Alter von elf bis 16 Jahren befragt, welche Bedeutung WhatsApp für sie hat.
Zwischen einer und 1600 WhatsApp-Nachrichten pro Tag erhalten die befragten Jugendlichen laut eigenen Angaben. Im Durchschnitt sind das 228 pro UserIn der untersuchten Gruppe. Damit stellen die für Arifis Studie ausgewählten Jugendlichen keine Ausnahme dar. Der Instant-Messaging-Dienst WhatsApp, der im Februar 2014 von Facebook aufgekauft wurde, ist im Bereich Social Media bei jungen Leuten mittlerweile klar die Nummer Eins, vor Facebook. Über WhatsApp lassen sich Textnachrichten, Bild-, Video- und Ton-Dateien sowie Standortinformationen zwischen zwei oder mehreren Personen via Smartphone oder Computer austauschen. Seit knapp einem Jahr können BenutzerInnen mit der Anwendung auch internetbasiert telefonieren.
Bei aller Beliebtheit – Anfang April 2015 verzeichnete WhatsApp 800 Millionen aktive NutzerInnen weltweit – steht der Dienst aber auch massiv in der Kritik aufgrund mangelnden Datenschutzes. So erlauben die allgemeinen Geschäftsbedingungen unter anderem, Medien der UserInnen für kommerzielle Zwecke zu verwenden. Zudem übermittelt WhatsApp alle Namen und Nummern aus den Telefon-Adressbüchern seiner NutzerInnen an Server in den USA. Doch eine immer noch wachsende Zahl von UserInnen nimmt diese Nachteile mehr oder weniger kritiklos in Kauf, zu günstig, bequem und praktisch erscheinen die Möglichkeiten, die der Dienst bietet.
Informiert sein und dazu gehören
Im Mittelpunkt von Arifis Untersuchungen standen die Fragen, wie die SchülerInnen auf die Fülle an Informationen, die sie auf diese Weise erhalten, reagieren und was WhatsApp für sie persönlich bedeutet.
Wer denkt, hunderte Messages täglich müssten jeden Menschen an die Grenzen des Wahnsinns treiben – weit gefehlt. „Die meisten Jugendlichen fühlen sich keineswegs überflutet oder überfordert durch die vielen Nachrichten. Im Gegenteil, sie freuen sich darüber“, berichtet Barbara Arifi. Nur selten schalten die SchülerInnen ihr Smartphone freiwillig aus, auch wenn sie zugeben, dass sie sich durch WhatsApp-Nachrichten leicht ablenken lassen. Einige gaben an, dass diese sie beim Hausaufgaben-Machen, in Schlaf- und Ruhephasen oder beim Essen zuhause stören. Und auch die Gefahr einer Abhängigkeit und der Kritikpunkt, viel Zeit damit zu verschwenden, wurden genannt.
Aber das Bedürfnis oder der Drang, informiert zu sein über das, was im Freundes- und Bekanntenkreis los ist, die Erreichbarkeit und das Aufrechterhalten von Kontakten sind den Jugendlichen offenbar wichtiger. „Sie sagen: Die FreundInnen und KlassenkameradInnen haben WhatsApp – ich will dazu gehören“, erzählt Arifi und ergänzt: „WhatsApp gibt den NutzerInnen das Gefühl, dass immer jemand da ist, dass sie jederzeit kommunizieren können, dass sie nicht alleine sind, und es hilft ihnen, den Alltag zu organisieren.“In einer Klasse haben die SchülerInnen eine WhatsApp-Gruppe aufgemacht, um sich über schulische Angelegenheiten, wie etwa Hausübungen, auszutauschen. Der überwiegende Teil der Kommunikation ist jedoch privater Natur.
Auf den Spuren des Nichtwissens
Die Masterarbeit von Barbara Arifi ist eingebettet in das Projekt „JungforscherInnen auf den Spuren des Nichtwissens“, an dem mehrere Institutionen beteiligt sind. Geleitet wird das Vorhaben von Ass.-Prof. Dr. Gerhild Bachmann vom Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft der Uni Graz. Das Land Steiermark finanziert die Forschungen im Rahmen der Ausschreibung „Die Zunahme von Nicht-Wissen“. Im Hintergrund steht die Hypothese: Die Fülle an ständig verfügbaren Informationen durch Internet und digitale Medien könnte dazu führen, dass Menschen letztendlich immer weniger wissen.
„Wir untersuchen, welche Faktoren die Aufnahme von Wissen beeinflussen, um herauszufinden, wie effizientes Lernen gestaltet sein sollte“, erklärt Bachmann. Dabei befassen sich Studierende, SchülerInnen und WissenschafterInnen gemeinsam mit unterschiedlichen Fragen aus diesem Themenkreis. „Wichtig ist uns, dass alle Beteiligten ihre jeweilige Sicht einbringen können“, betont die Forscherin. Barbara Arifi erhob in ihrer Masterarbeit die Perspektive der SchülerInnen. Deutlich wurde dabei, dass sich die Jugendlichen durch die Menge an großteils belanglosen Informationen zwar nicht gestört fühlen, aber doch abgelenkt werden. Das wiederum kann das Lernen und den Erwerb von Wissen behindern.
>> Lesen Sie diesen Beitrag mit einigen Ergänzungen auch in der aktuellen Ausgabe der UNIZEIT!