Ende der 1950er-Jahre hielten der Traktor und mit ihm verschiedenste technische Gerätschaften Einzug in die Landwirtschaft. Die Mechanisierung der bäuerlichen Arbeit zog tiefgreifende Veränderungen nicht nur im alltäglichen Leben, sondern auch im sozialen Gefüge nach sich. Esther Brossmann, BA, Studierende der Geschichte an der Karl-Franzens-Universität Graz, befasste sich in ihrer Bachelorarbeit mit der Etablierung der Konsumgesellschaft in den bäuerlich dörflichen Strukturen der Oststeiermark und wurde dafür mit einer Förderung der Arbeiterkammer Steiermark ausgezeichnet. Betreut hat ihre Arbeit Ao.Univ.-Prof. Dr. Karin Schmidlechner.
„Die Mechanisierung der Landwirtschaft war eine der stärksten Triebfedern für den Wandel im bäuerlichen Leben, der in der Folge zur Etablierung der Konsumgesellschaft auch in ländlichen Regionen führte“, erklärt Esther Brossmann. Bei der Bewirtschaftung des Bodens waren es die Traktoren, die Ende der 1950er-Jahre die Arbeit revolutionierten. Aber auch andere moderne Errungenschaften, wie der Kühlschrank oder das Fernsehgerät, spielten eine wichtige Rolle für grundlegende Veränderungen der Lebenswelt und gesellschaftlichen Strukturen.
Das Kühlen und Einfrieren von Lebensmitteln erleichterten die Organisation der Versorgung und bereicherten den Speiseplan. Supermärkte entstanden und lockten mit einem vielfältigen Angebot. Das Fernsehen weckte neue Bedürfnisse und befeuerte die Konsumfreude. Gleichzeitig erweiterte es den Horizont und förderte unter anderem die Entwicklung einer Jugendkultur, die sich von traditionellen Vorstellungen unterschied. Der Siegeszug des Autos machte die ländliche Bevölkerung mobil und hatte Einfluss auf die Freizeitgestaltung.
„Ab den 1960er-Jahren entwickelte sich das Nebenerwerbsbauerntum, was unter anderem mit den gestiegenen Ansprüchen und dem höheren finanziellen Aufwand für die modernen Geräte im Zusammenhang stand“, so Brossmann. Der Beruf neben der Landwirtschaft brachte ein zusätzliches Einkommen.
Für ihre Recherchen zog die Historikerin die Chronik der Volksschule Wagendorf bei Hartberg und die Jahrbücher der örtlichen Kühlanlage, die aus Geldern des Marshallplanes finanziert wurde, heran. Letztere geben Einblick in die Nutzung und Betreuung der Einrichtung, was eingelagert wurde und welche Schulungen es gab. „Unterstützung erhielt die Bevölkerung vor allem von der Landwirtschaftskammer, die eine bedeutende Rolle bei der Einführung neuer Geräte spielte. Sie bewarb die technischen Innovationen und bot Hilfestellung zum fachgerechten Umgang damit an“, weiß Brossmann.
Interviews mit drei ZeitzeugInnen ergänzten die Recherchen der Studierenden. Sie zeigen, wie sich die Befragten an den Wandel in der dörflichen Gesellschaft erinnern und ihn bewerten. Negativ gesehen wird etwa, dass sich Landwirte verschuldeten, um sich teure Maschinen kaufen zu können. Ein anderer interessanter Aspekt ist, dass in den Erzählungen der Männer ein Hauch von Nostalgie für das Verlorene mitschwingt, während die Interviewpartnerin vor allem die harte Arbeit der „guten alten Zeit“ in Erinnerung hat.