Die Photopharmakologie nutzt durch Licht schaltbare Moleküle, sogenannte molekulare Lichtsensoren, um die präzise Kontrolle über biologische bzw. pharmakologische Wirkungen zu erlangen. Im Forschungsverbund BioTechMed-Graz haben nun ForscherInnen der Medizinischen Universität gemeinsam mit KollegInnen der Karl-Franzens-Universität und in enger Vernetzung mit Arbeitsgruppen an der Johannes Kepler Universität Linz sowie der Medizinischen Universität Wien ein völlig neuartiges Prinzip entwickelt, das künstliche Fettmoleküle zur Kontrolle von Zell- und Organfunktionen einsetzt. Darin sehen die WissenschafterInnen einen wichtigen Ansatz zur Entwicklung neuer Therapiekonzepte. Die Forschungsergebnisse wurden aktuell im Journal Nature Chemical Biology veröffentlicht.
Methoden zur Kontrolle und Steuerung von Zell- und Gewebefunktionen durch Licht haben in den letzten Jahren große Aufmerksamkeit erregt und werden stetig weiterentwickelt. Die Möglichkeit des zeitlich und räumlich hochpräzisen Eingriffs in den Zellstoffwechsel wird zum Beispiel für den effizienten und berührungsfreien Eingriff in Gehirn- und Herzfunktionen aber auch zur lokalen Steuerung von Immunzellen und damit zur Tumorbehandlung adaptiert. „Insbesondere die Photopharmakologie, also der Einsatz von lichtkontrollierten Pharmaka, und die Optochemogenetik, bei der in bestimmten Körperzellen spezifische Sensitivität für photopharmakologische Intervention erzeugt wird, etablieren sich derzeit als neue biomedizinische Technologien“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Klaus Groschner von der Med Uni Graz. Diesen Ansatz verfolgt Groschners Team gemeinsam mit PD Dr. Toma Glasnov von Institut für Chemie der Karl-Franzens-Universität im Forschungsverbund BioTechMed-Graz.
Grazer Entwicklung
In den letzten fünf Jahren haben die Grazer WissenschafterInnen ein ganz neues photopharmakologisches und optochemogenetisches Prinzip entwickelt, das innerhalb der Forschungscommunity auf großes Interesse stößt und nun im renommierten Journal Nature Chemical Biology vorgestellt wurde. „Wir nutzen künstliche, durch Licht steuerbare Fettmoleküle – sogenannte optisch schaltbare Lipide bzw. Photolipide – um Zell- und Organfunktionen gezielt kontrollieren zu können“, beschreibt Groschner das Verfahren. In der aktuellen wissenschaftlichen Arbeit wurden spezielle Lipidrezeptoren, Moleküle der TRP-Ionenkanalfamilie, detailliert untersucht. „TRP-Kanäle bestehen aus verschiedenen Proteinen und spielen beim Menschen vor allem in der Geschmackswahrnehmung sowie dem Temperatur- und Schmerzempfinden eine große Rolle“, erklärt der Wissenschafter.
Mit Hilfe neu entwickelter Photolipide konnten die Grazer ForscherInnen den Mechanismus der Lipidsensitivität dieser TRP-Kanäle aufklären und aus diesem Wissen die Rezeptoren als Zielstrukturen für optische Interventionen – also durch Licht gesteuerte Eingriffe – etablieren. Die lipidempfindlichen TRP-Moleküle werden sowohl im Gehirn als auch im Herz-Kreislauf- und Immunsystem exprimiert und können durch gezielte genetische Veränderungen zu einem höchstempfindlichen (Super)Rezeptor für künstliche Photolipide modifiziert werden, ohne dabei die Reaktion auf den normalen (physiologischen) Fettstoffwechsel wesentlich zu verändern. Damit scheint eine weitere Stufe der Präzision und Spezifität der Zellsteuerung durch Licht erreicht.
Diese Technologie soll nun zur Entwicklung neuer Therapiekonzepte sowie hocheffizienter optischer Screening-Verfahren in der Arzneimittelentwicklung zum Einsatz kommen.
Publikation
An optically controlled probe identifies lipid-gating fenestrations within the TRPC3 channel
Michaela Lichtenegger, Oleksandra Tiapko, Barbora Svobodova, Thomas Stockner, Toma N. Glasnov, Wolfgang Schreibmayer, Dieter Platzer, Gema Guedes de la Cruz, Sarah Krenn, Romana Schober, Niroj Shrestha, Rainer Schindl, Christoph Romanin & Klaus Groschner
Nature Chemical Biology (2018), doi:10.1038/s41589-018-0015-6