Wenn tektonische Platten aufeinandertreffen, ist das für GeologInnen buchstäblich eine Fundgrube für ihre wissenschaftliche Forschung. Erst recht dort, wo die Pazifische Platte unter die Philippinische Platte geschoben wird – und noch dazu im Bereich des Marianengrabens im Westpazifik, wo sich auch mit 11.000 Metern der tiefste Punkt der Erde befindet. In diesem Teil des Pazifiks öffnet sich ein Fenster ins Innere des Planeten und bietet zugleich einen Einblick zurück zu den Anfängen des Lebens. Univ.-Prof. Dr. Walter Kurz, Leiter des Instituts für Erdwissenschaften an der Uni Graz, war Mitglied einer internationalen Expedition im Rahmen des „International Ocean Discovery Program“, die im vergangenen Dezember und Jänner auf dem Forschungsschiff „Joides Resolution“ den Meeresboden unter die Lupe nahm.
„Es handelt sich um ein weltweit einzigartiges Setting“, schildert Kurz. Das Gebiet, Teil des sogenannten „Ring of fire“, weist nämlich sowohl hohe vulkanische Aktivität als auch weitere geologische Besonderheiten auf. „Aufgrund der übereinanderliegenden tektonischen Platten wird Material des Erdmantels der Philippinischen Platte, und der Kruste der Pazifischen Platte aus etwa 20 bis 30 Kilometer Tiefe nach oben, auf den Meeresboden, transportiert“, erklärt Kurz. „Die Umwandlung des Erdmantels erfolgt unter Beteiligung von tiefliegenden wässrigen Lösungen. Diese wandeln den Erdmantel in Serpentinit und Serpentinitschlamm um, der anschließend nach oben dringt und am Ozeanboden oberhalb des Marianengrabens austritt und sich zu Schlammvulkanen mit einer Höhe von bis zu 4000 Metern aufhäuft.“
Diese Umgebung könnte auch für die Entstehung von Leben ausschlaggebend gewesen sein. „Erste Organismen haben möglicherweise das pH‐Gefälle zwischen diesem Schlamm und dem Meerwasser, das vor Milliarden Jahren einen viel höheren Säurewert hatte, als Energiequelle verwendet“, gibt der Geologe eine aktuelle Forschungsthese wieder. Neben den geologischen Prozessen im Erdmantel wurde auch dieser These während der jüngsten Expedition im Marianengraben nachgegangen. Kurz: „Die Plattentektonik schafft somit die Voraussetzungen für die Entstehung dieser Lebensformen. Dieser Teil der Erde bietet somit die einzigartige Möglichkeit, geologische Forschung über die feste Erde mit den Life Sciences zu verknüpfen.“ Mit an Bord waren daher neben GeologInnen, GeochemikerInnen, GeophysikerInnen auch MikrobiologInnen.
In den kommenden Monaten erwartet Erdwissenschafter Kurz aus seiner mittlerweile dritten Expeditionsteilnahme neue Erkenntnisse über die plattentektonischen Prozesse im westlichen Pazifik, die aus den Auswertungen der Tiefseebohrungen sowie im Zuge nachfolgender wissenschaftlicher Projekte gewonnen werden können.