Die überdurchschnittlich schlechten Ergebnisse der Zentralmatura in Mathematik sorgen gerade für Aufregung. Wie Österreich bei der heurigen PISA-Studie abschneidet, wird sich erst zeigen, knapp 8 000 SchülerInnen haben kürzlich die Tests dazu absolviert. In den Volksschulen wurden außerdem mathematische Bildungsstandards (BIST) überprüft. Eine höhere Qualität der Ausbildung und eine bessere internationale Vergleichbarkeit sind die Intentionen hinter der Vereinheitlichung der Abschlussprüfung und den Überprüfungen. Dabei wird immer wieder die Kritik laut, dass die individuelle Förderung der SchülerInnen auf der Strecke bleibt. Alois Ecker, Fachdidaktik-Professor für Geschichte, sieht solche Standards und das dazugehörige Monitoring generell als sinnvoll an, ortet aber auch Verbesserungspotenzial.
„Derzeit sind die Bildungsstrukturen in Europa regional sehr kleinteilig und damit untereinander schwer kompatibel. Allein in Deutschland gibt es aufgrund der Ländergesetzgebung 16 verschiedene Lehrpläne für jeden Schultyp“, erklärt Ecker. Vergleichbare Standards, die einen internationalen Austausch erleichtern und über die formalen Bologna-Kriterien hinausgehen, wären daher wichtig. „Allerdings soll daraus kein Länderwettbewerb wie bei der PISA-Studie entstehen. Es ist außerdem schon rein statistisch ziemlich waghalsig, ein solches Länder-Ranking aus der Leistung einzelner SchülerInnen zu erstellen. Ganz abgesehen von den wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Differenzen, auf denen Schulbildung weltweit jeweils aufsetzt“, meint der Experte. Was er für wichtiger hält, wäre nicht nur ein Vergleich der Lese-. Schreib- und Rechenfähigkeit, sondern die Untersuchung von gesellschaftsorientierten und politischen Kompetenzen von Kindern. Ein dahingehendes von der OECD ausgearbeitetes Konzept, das Bildung auch als psychosoziale Kompetenz betrachtet, sei nie umgesetzt worden.
Um die Qualität in den Schulen zu heben, müsse man einerseits bei der Ausbildung der LehrerInnen ansetzen und andererseits sicherstellen, dass Kinder aus ärmeren Ländern oder, wie in Österreich und Deutschland, aus bildungsbenachteiligten Familien, Zugang zu höherer Bildung erhalten. „Der nationale Bildungsbericht für Österreich (2015) ebenso wie die soeben veröffentlichten Daten vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung weisen in die gegenteilige Richtung“, so Ecker. Kindern aus Nichtakademikerfamilien gelinge demnach der Zugang zum Universitätsstudium viel seltener als dem Nachwuchs akademisch gebildeter Eltern.
Bei der Zentralmatura wünscht sich der Fachdidaktiker mehr Vertrauen in einzelne Schulen und mehr Autonomie für die Lehrenden, damit diese besser auf individuelle Interessen und Bedürfnisse ihrer Schützlinge eingehen können. „Bei der Ausarbeitung einer kompetenzorientierten Reifeprüfung aus Geschichte haben wir versucht, einen Fokus auf aktuelle Themen und gesellschaftliche Aspekte zu legen. Diese kommen in den Maturafragen nun kaum noch vor.“
Alois Ecker diskutiert mit der deutschen Bildungsexpertin Sigrid Hartong am 14. Juni 2018 ab 18 Uhr in der Aula der Karl-Franzens-Universität Graz. Das Thema: „Niemand bleibt zurück, niemand bleibt unbeobachtet! Von PISA und den unterschätzten Fallstricken eines lückenlosen Bildungsmonitorings“. Der Eintritt ist frei, um eine Anmeldung unter gewi.event(at)uni-graz.at wird gebeten.
Montag, 11.06.2018