In der Renaissance vollzog sich der Übergang von einer religiös-philosophischen Auslegung des Kosmos hin zu einer naturwissenschaftlich geprägten Vorstellung der Weltbausteine. Wie die Dichter des 16. Jahrhunderts versuchten, in ihren Texten durch lexikalische Harmonie oder bestimmte Klangqualitäten Anteil an den streng geordneten Himmelstrukturen zu nehmen, untersuchte Steffen Schneider bereits in seiner Habilitationsschrift an der Universität Tübingen. Der aus Homburg an der Saar stammende Wissenschafter ist seit März 2017 Professor für Romanistische Kultur- und Literaturwissenschaft an der Uni Graz. Aber auch das Mittelmeer in seiner kulturellen Vielfalt ist ein Forschungsgegenstand Schneiders.
„In der Renaissance wurden Texte nicht ausschließlich zum Vergnügen verfasst. Vielmehr versuchte man, durch ästhetische Merkmale eine Verbindung zu himmlischen Kräften aufzubauen“, erklärt Schneider. Der französische Dichter Pierre de Ronsard beispielsweise verfasste einen beachtlichen Korpus an Hymnen, in denen er versuchte, die kosmischen Strukturen zu imitieren. Gleichzeitig richtete er seine Werke an mächtige Herrscher in Frankreich und weist damit auch einen ganz konkreten Bezug zu seiner Zeit auf. Ronsard rang in seiner Dichtung darum, die durch Religionskriege zerrissene Gegenwart zu heilen, indem er die Herrschenden an die kosmischen Zusammenhänge erinnerte und sie dorthin zurückzuführen versuchte. Dem Zusammenhang zwischen Form und Inhalt in literarischen Werken ist Schneider bereits seit einem Graduiertenkolleg in Tübingen auf der Spur. „Darin ging es um die Frage, inwiefern Literatur eine gesellschaftlichen Funktion hat beziehungsweise haben soll, oder ob sie rein ästhetisch zu rezipieren ist“, schildert Schneider. Diese Beziehung ist dialektisch bestimmt, fährt Schneider fort: „Auch reine Belletristik hat immer eine soziale Funktion.“
Schneider absolvierte das Graduiertenkolleg nach Abschluss seines Studiums der Germanistik und der Romanistik an der Universität Köln. Er promovierte ebenda in Germanistik zu Faust II, bevor er sich wieder der Romanistik zuwandte. 2011 verfasste er seine Habilitation an der Universität Tübingen, in der er sich der Ästhetik der Renaissance widmete. Im selben Jahr erhielt er auch die Lehrbefugnis für romanische Philologie und Vergleichende Literaturwissenschaft. Danach folgten drei Jahre an der Universität Trier, bevor es den Deutschen nach Graz verschlug. Hier möchte Schneider einen weiteren Forschungsschwerpunkt forcieren: Das Mittelmeer und seine kulturelle Bedeutung in den romanischsprachigen Ländern und der Frankophonie Afrikas. „Das betrifft verschiedene Künste: natürlich die französische und italienische Literatur, aber auch das Filmschaffen dieser Länder“, erklärt Schneider. KooperationspartnerInnen in diesem Bereich sucht der Forscher derzeit in der Geisteswissenschaftlichen Fakultät und darüber hinaus. Auch Lesungen oder Konzerte zum Themenkomplex Mittelmeer könnten für das Grazer Kulturleben eine Bereicherung sein, ist Schneider überzeugt. Seinen ersten Eindruck von seinem neuen Lebensmittelpunkt schildert er so: „Das gesamte Institut sowie die Universität haben mich sehr freundlich aufgenommen, was mich sehr gefreut hat. Graz ist zudem wunderschön und hat starke Renaissance-Züge. Diese Zeit war in vielerlei Hinsicht auch sehr prägend für die Stadt.“