„Das Ziel guter Fachdidaktik im Bereich des historischen und gesellschaftlichen Lernens muss sein, unsere Lehrer/innen so auszubilden, dass sie ihren Schüler/innen die Entwicklung eines kritischen Geschichts- und Politikbewusstseins ermöglichen. Die Lernenden wiederum sollen zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern heranwachsen“, fasst Alois Ecker zusammen. Er ist seit vorigem Herbst Professor für Fachdidaktik Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung an der Karl-Franzens-Universität Graz.
Wie man Geschichte unterrichten soll, darüber wurde schon im 19. Jahrhundert nachgedacht. Damals ging es zunächst darum, den Geschichtsunterricht in der Schule von herrschaftlicher Einflussnahme zu entlasten und, so Ecker, „auf einer sachlich überprüfbaren Basis über die Vergangenheit zu berichten.“ Dieses anfangs wissenschaftsorientierte Konzept wurde im Geschichtsunterricht des 20. Jahrhunderts zunächst durch nationalistische Einflüsse eingeengt und nach 1945 als auf das Prinzip „Zahlen - Daten – Fakten“ reduziert. „Dadurch hat das Schulfach Geschichte seine verstehende und erklärende Funktion verloren und war drauf und dran, zu einem sinnentleerten Prüfungsfach zu verkommen“, unterstreicht Ecker. Der Fachdidaktik-Experte dazu weiter: „Heute steht in der Geschichts- und Politikdidaktik der/die mündige BürgerIn im Zentrum. Die Schülerinnen und Schüler brauchen heute Angebote, die ihnen ermöglichen, ihr eigenes Geschichtsbewusstsein zu stärken. Sie sollen historisch denken lernen, sie sollen lernen, ihren eigenen Standort in Geschichte und Gesellschaft zu bestimmen, ihre Interessen in einer zunehmend digitalisierten Welt zu artikulieren und die vielfältigen Möglichkeiten der Partizipation verantwortungsvoll wahrzunehmen. Gerade, weil es viele Perspektiven auf Geschichte und Politik gibt, ist es heute Ziel, die SchülerInnen zum kritischen Denken und zum Hinterfragen der vielfältigen Geschichtsdarstellungen anzuregen, wie sie ihnen beispielsweise aus Spielfilmen, dem Internet oder Computerspielen entgegenschwirren.“ Ecker erforscht, wie man künftigen GeschichtslehrerInnen das notwendige Rüstzeug dafür mitgeben kann. „Ziel der LehrerInnenausbildung ist, deren Beobachtungs-, Urteils- und Handlungsfähigkeit zu stärken. Dazu ist es wichtig, überhaupt erst einmal zu verstehen, wie in der Schule über Geschichte kommuniziert und in diesem Fach gearbeitet wird“, schildert Ecker.
Darüber weiß der Forscher, der viele Jahre selbst in Wien an Schulen unterrichtete, auch aufgrund eigener Forschungen Bescheid: In einer Studie erhob Ecker kürzlich, wie AHS-SchülerInnen Österreich sehen. KünstlerInnen wie Falco und Conchita sowie SportlerInnen wie Marcel Hirscher und Anna Veith verweisen dabei sowohl die historischen Persönlichkeiten als auch die aktuellen PolitikerInnen auf die Plätze. Dennoch sieht er Jugendliche von heute nicht als unpolitisch, aber „als parteipolitisch uninteressiert. Wir dürfen den SchülerInnen die Politikverdrossenheit nicht umhängen. Wenn SchülerInnen Gelegenheit geboten wird, kontroverse Positionen zu analysieren und zu diskutieren, dann nehmen sie diese Angebote auch an und verhandeln darüber – auch über Geschichte. Mit den neuen Herausforderungen in einer multikulturellen Gesellschaft brauchen wir allerdings auch angemessene Konzepte für diesen historisch-sinnbildenden Unterricht.“
Sein eigener Geschichtsunterricht war für den gebürtigen Oberösterreicher Anlass, sich dem Fach im Rahmen des Studiums an der Universität Wien zu widmen: „Geschichte hat mich schon in der Schule interessiert, aber mit dem damaligen Unterricht war ich unzufrieden. Die Zeit des Nationalsozialismus wurde zum Beispiel völlig ausgespart, diese Defizite wollte ich später aufarbeiten.“ Nach seinem Studium war Ecker viele Jahre in der Lehreraus- und -fortbildung tätig, hat in Projekten des Europarats an Curriculumsreformen in Ost- und Südosteuropa mitgearbeitet und in Österreich die Gesellschaft für Geschichtsdidaktik aufgebaut. In teilweise noch laufenden Forschungsprojekten untersucht er derzeit in vergleichenden Perspektiven, wie GeschichtslehrerInnen in Ländern des Europäischen Hochschulraums, in China, Japan und in Mexiko ausgebildet werden.