Wenn es um den Klimawandel und dessen Folgen geht, kommen in Medien und Öffentlichkeit meist NaturwissenschafterInnen und ÖkonomInnen zu Wort. Dass sich im Zusammenhang mit möglichen Maßnahmen gegen die fortschreitenden klimatischen Veränderungen aber auch ethisch-philosophische Fragen auftun, ist im Bewusstsein der Menschen kaum verankert. Einer der sich mit dieser Problematik intensiv auseinandersetzt, ist Univ.-Prof. Dr. Harald Stelzer, seit Anfang November 2014 Professor für Politische Philosophie an der Karl-Franzens-Universität Graz.
Durch ein Fulbright-Stipendium kam Stelzer, der in Graz Philosophie, Geschichte und Soziologie studiert hatte, 2011 an die University of Washington, wo ihn das Thema Climate Engineering – auch als Geo-Engineering bezeichnet – zu faszinieren begann. Der Begriff umfasst unterschiedliche Maßnahmen, die unmittelbar in das Klimasystem der Erde eingreifen, mit dem Ziel, dem Klimawandel entgegenzuwirken. Dazu zählt zum Beispiel „Stratospheric Solar Radiation Management“, etwa durch die Injektion von schwefelbasierten Aerosolen in die Stratosphäre. Diese soll die Sonneneinstrahlung abschwächen und damit für eine Abkühlung der Erde sorgen. „Die Methode soll kostengünstig sein, ist aber mit großen Risiken und Unsicherheiten behaftet, weil beispielsweise – zumindest nach heutigem Wissensstand – nicht vorherzusagen ist, wie die eingebrachten Aerosole die Chemie in der Stratosphäre insgesamt verändern würden. Die Auswirkungen könnten katastrophal sein“, so Stelzer. Hinzu komme, dass eine solche Maßnahme andere Probleme, wie etwa die Übersäuerung der Ozeane durch die Aufnahme von CO2, unberücksichtigt lasse und nach dem Absetzen der Injektionen eine plötzliche, starke Erwärmung eintreten würde.
Interessant für Harald Stelzer ist es, Maßnahmen des Climate Engineering unter ethisch-philosophischen Aspekten, wie zum Beispiel nach Gerechtigkeitskriterien, zu bewerten. Das tut der Wissenschafter, der vor seiner Professur an der Uni Graz am IASS (Institute for Advanced Sustainability Studies) in Potsdam tätig war, unter anderem als Partner im Projekt CEMICS (Climate Engineering im Kontext von Emissionsminderungsstrategien: Illusion, Komplement oder Substitut?), gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Zu zentralen Fragen zählen jene der Verteilungsgerechtigkeit: Inwiefern könnte Stratospheric Solar Radiation Management bereits bestehende Ungerechtigkeiten verstärken? „Wird die Erde kühler, kommt es wahrscheinlich zu einer Abnahme der globalen Niederschlagsmenge um bis zu zehn Prozent. Wenn durch diese Veränderungen der Monsun in Asien ausfiele, hätte das fatale Folgen für die betroffenen Regionen und ihre Menschen“, gibt Stelzer zu bedenken. Fakt ist, dass jene Länder, die am geringsten für den Klimawandel verantwortlich sind – die weniger entwickelten – besonders stark von den globalen Veränderungen betroffen sind. Möglicherweise hätten sie auch am stärksten unter den Folgen des Climate Engineering zu leiden.
Gerechtigkeitsfragen lassen sich hierbei aus Perspektive von möglichen Rechtsverletzungen und deren Verteilung erkunden, wobei es darum geht, grundlegende Fragen zu klären: Welche Ansprüche von welchen Personen gilt es zu berücksichtigen? Und generell: Unter welchen Voraussetzungen sind bestimmte Methoden gerechtfertigt? Welche Wertmaßstäbe sollen Grundlage für politische Entscheidungen sein? Schließlich stellt sich auch noch die große Frage der politischen Steuerung und Regulierung. Wer könnte das übernehmen und wie, wer die Maßnahmen setzen und wo, wer sie kontrollieren? Könnten sich die UN überhaupt einigen?
„Climate Engineering ist ein besonders interessantes Beispiel dafür, wie sich Gerechtigkeitsprinzipien und andere ethisch-philosophische Aspekte in der Realität in einer sehr komplexen politischen Situation und angesichts vieler Unsicherheiten anwenden lassen“, sagt Stelzer. Es ist aber nicht sein einziges Forschungsthema. Fragen von Gerechtigkeit, Risiken und Unsicherheiten spielen in den verschiedensten Bereichen eine Rolle, wie zum Beispiel auch im weiten Feld der Wirtschaft oder dem rasch steigenden Urbanisierungsgrad.