„Der Krieg lehrt beten“, war der Seckauer Bischof Leopold Schuster (1842-1927) überzeugt und teilte damit die offizielle Meinung der Bischöfe der Habsburgermonarchie, die beim Ausbruch des Krieges loyal hinter dem Kaiser und dessen Kriegspolitik standen. Die Grazer Theologin Ao.Univ.-Prof. Dr. Michaela Sohn-Kronthaler untersucht die Haltung der römisch-Katholischen Kirche in Österreich zum Ersten Weltkrieg, die bislang in der Forschung – im Vergleich mit dem Zweiten Weltkrieg – wenig Beachtung gefunden hat.
Als Kaiser Franz Joseph I. am 28. Juli 1914 Serbien den Krieg erklärte, erschien in der Erzdiözese Wien eine Sondernummer des Diözesanblattes. Darin veröffentlichte Kardinal Friedrich Gustav Piffl gemeinsam mit der Kriegserklärung ein Hirtenschreiben, in dem er seine Unterstützung für „die gerechte Sache unseres Vaterlandes“ zum Ausdruck brachte. „Alle Bischöfe im Gebiet des heutigen Österreich waren überzeugt, dass es sich um einen gerechten, legitimen, notwendigen, ja aufgezwungenen Krieg handle“, weiß Michaela Sohn-Kronthaler vom Institut für Kirchengeschichte und Kirchliche Zeitgeschichte der Karl-Franzens-Universität Graz. „Dabei berief sich der Klerus auf die Kirchenlehrer Augustinus und Thomas von Aquin, die einen Verteidigungskrieg um des Friedens willen als gerechtfertigt erklärt hatten“, so die Theologin, die mit ihren Forschungen die Rolle der Kirche im Ersten Weltkrieg näher beleuchtet.
Die Loyalität der Bischöfe gegenüber dem Kaiser gründete in einer über Jahrhunderte gewachsenen engen Verbindung. „Der Monarch hatte bis zur Einführung des neuen kirchlichen Gesetzbuches 1917 die meisten Oberhirten seiner Länder nominiert“, berichtet Sohn-Kronthaler. Dieses Band war so stark, dass die intensiven Friedensbemühungen von Papst Benedikt XV. eine untergeordnete Rolle spielten. Wiederholt setzte sich der Papst für Völkerverständigung und Versöhnung ein – auch auf diplomatischer Ebene – und warnte vor übertriebenem Nationalismus. In seinen Friedensaufrufen und Mahnschreiben fehlt es nicht an klaren Worten und beschwörenden Bitten, „diesem entsetzlichen Blutbad (…) ein Ende zu machen“.
Der Krieg wurde von den Bischöfen auch theologisch gedeutet: als Strafgericht Gottes und Zeit religiösen Aufbruchs. Als pädagogisches Instrument zur Besserung der Völker würde er die Guten in ihrer Tugend schulen und die SünderInnen läutern. Der St. Pöltener Bischof Johannes B. Rößler zeigte sich erfreut über die „große Schar der Beter, welche die Kirchen füllten“, und Bischof Leopold Schuster lobte den Krieg als „eine Quelle reichen Segens, vieler Gnaden und Bekehrungen“.
Auch die Gottesdienste standen ganz im Zeichen des Krieges. Gebetet wurde unter anderem für Kaiser und Soldaten und die Segnung der Waffen. „Kardinal Piffl stellte den Soldatentod unter Berufung auf Thomas von Aquin auf die gleiche Stufe mit dem Märtyrertum“, erzählt Sohn-Kronthaler.
Ab 1916 wird angesichts der ernüchternden Entwicklungen an der Front und im Hinterland neben der Kriegstheologie auch Friedenssehnsucht laut, dennoch bleiben die Bischöfe bis zuletzt bei ihrer loyalen Haltung gegenüber dem Kaiser und seinem politischen Kurs.
Neben der offiziellen Kirche gab es nur einzelne mutige Priester, die sich für den Frieden engagierten. Einer von ihnen war Max Josef Metzger, der als Feldgeistlicher an der Front die Gräuel des Krieges miterlebt hatte. Der gebürtige Deutsche wirkte 13 Jahre in Graz. Er verfasste Schriften für den Frieden und gründete das Weltfriedenswerk vom Weißen Kreuz. Nach dem Ersten Weltkrieg kehrte er nach Deutschland zurück, wo er später von den Nazis verfolgt und 1944 hingerichtet wurde.